Das Jahr neigt sich – und die Frage steht im Raum: Was wird 2026?

Ich sitze hier, draußen wird es früh dunkel, und wie jedes Jahr um diese Zeit erwische ich mich bei denselben Gedanken: Was habe ich eigentlich geschafft? Und was will ich noch?

Als Schreibende kennen wir das. Dieses Gefühl zwischen den Jahren, wenn die Welt kurz stillsteht und wir plötzlich Raum haben, nach vorne zu schauen. Vielleicht liegt ein halbfertiges Manuskript auf dem Schreibtisch. Vielleicht eine Idee, die seit Monaten im Kopf herumgeistert. Vielleicht auch nur diese leise Sehnsucht: Ich will schreiben. Richtig schreiben. Endlich.

Aber wie fängt man an? Und vor allem: Wie bleibt man dran?

Ein Schreibplan – muss das sein?

Ich weiß, das Wort klingt unsexy. Plan. Das riecht nach Pflicht, nach Selbstoptimierung, nach noch einer Sache, die wir uns vornehmen und dann nicht durchhalten.

Aber ich habe gelernt: Ein Plan ist kein Gefängnis. Ein Plan ist ein Versprechen an mich selbst. Eines, das ich auch brechen darf – aber eines, das mir hilft, mich ernst zu nehmen.

Denn das ist vielleicht das Schwierigste am Schreiben: Uns selbst die Erlaubnis zu geben. Die Erlaubnis, Zeit dafür zu nehmen. Die Erlaubnis, die Tür zuzumachen und zu sagen: Jetzt nicht. Jetzt schreibe ich.

Was kann ich in einem Jahr realistisch schaffen?

Ich rechne manchmal ganz simpel:

Eine Seite am Tag – und ich meine wirklich nur eine, nicht zehn, nicht zwanzig – ergibt 365 Seiten im Jahr. Das ist ein Roman. Ein ganzer Roman, entstanden aus kleinen, beharrlichen Schritten.

Eine halbe Stunde täglich – das klingt nach wenig, aber es summiert sich. 180 Stunden im Jahr. Das ist mehr, als viele glauben. Genug für einen ersten Entwurf. Genug, um eine Geschichte zu Ende zu erzählen.

Natürlich schreibt niemand jeden Tag. Das Leben kommt dazwischen, und das ist in Ordnung. Aber wenn ich mir vornehme, an drei Tagen pro Woche zu schreiben, und ich halte das ein – dann bin ich weiter, als wenn ich auf den perfekten Moment warte.

Und der perfekte Moment? Kommt nicht. Nie.

Was brauche ich wirklich zum Schreiben?

Weniger, als wir denken. Viel weniger.

Wir brauchen keinen eigenen Schreibraum mit Blick auf die Berge. Kein teures Programm, keine ergonomische Tastatur, keine drei Monate Auszeit auf einer griechischen Insel (auch wenn das natürlich schön wäre).

Was wir brauchen, ist simpler – und gleichzeitig schwerer zu bekommen:

Zeit. Nicht viel. Aber regelmäßig. Eine halbe Stunde, in der niemand etwas von uns will. Eine halbe Stunde, die uns gehört.

Einen Ort. Das muss kein Büro sein. Das kann der Küchentisch sein, wenn die Kinder schlafen. Das kann ein Café sein. Das kann der Zug sein auf dem Weg zur Arbeit.

Eine Geschichte, die uns nicht loslässt. Die Figur, die nachts in unseren Kopf kriecht. Die Szene, die wir beim Abwaschen vor uns sehen. Die Frage, auf die wir selbst keine Antwort wissen und die uns deshalb antreibt. Das ist der Treibstoff.

Die Erlaubnis, schlecht zu schreiben. Das klingt banal, aber es ist vielleicht das Wichtigste. Der erste Entwurf darf holprig sein. Er darf peinlich sein. Er darf uns selbst nicht gefallen. Hauptsache, er existiert. Alles andere kommt später, in der Überarbeitung. Aber erst muss etwas da sein, das wir überarbeiten können.

Menschen, die verstehen. Nicht zwingend andere Autor:innen – obwohl die helfen. Aber Menschen, die nicht fragen: „Warum machst du das eigentlich?“ Sondern die sagen: „Erzähl mir davon.“

Und wenn ich nicht weiß, wo anfangen?

Dann fang klein an. Wirklich klein.

Schreib eine Szene. Nicht das ganze Buch – eine Szene. Die, die dir am klarsten vor Augen steht. Die, bei der du weißt, wie sie sich anfühlen soll.

Oder schreib über deine Figur. Wer ist sie? Was will sie? Wovor hat sie Angst? Du musst das nicht veröffentlichen. Du musst es niemandem zeigen. Aber schreib es auf.

Oder setz dich hin und schreib zehn Minuten lang alles, was dir durch den Kopf geht. Ohne Ziel, ohne Anspruch. Nur um die Hand wieder in Bewegung zu bringen. Nur um dich daran zu erinnern: Ich kann das. Ich mache das.

Mein Wunsch für dich

Dass du 2026 nicht als das Jahr planst, in dem du Autorin wirst – sondern als das Jahr, in dem du es bist.

Dass du aufhörst zu warten. Auf mehr Zeit, mehr Ruhe, mehr Sicherheit, mehr Talent. Dass du stattdessen anfängst. Mit dem, was du hast. Dort, wo du bist.

Dass du dir erlaubst, die Geschichten zu erzählen, die in dir stecken. Nicht weil die Welt sie braucht – vielleicht braucht sie sie, vielleicht auch nicht. Sondern weil du sie brauchst.

Also: Was steht bei dir an? Ein neues Projekt? Die Überarbeitung eines alten? Oder erst mal ganz simpel – der erste Satz?

Erzählt mir davon. Ich bin neugierig.

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